Prävention

„Die Präventionsarbeit, so die Studienmacher, sollte mit elf Jahren beginnen.“

Guter Ansatz, besser als nix. Aber viel zu spät. Präventionsarbeit beginnt beim Neugeborenen und bei Kleinkindern. Beispiel: Ich frage auch den Säugling, ob ich ihn wickeln, umziehen, hochnehmen, etc. darf. Auch wenn er die Worte nicht versteht, so hilft es mir und ihm, dass daraus auch für später eine Selbstverständlichkeit wird. Auch gibt es „kein Küsschen auf Kommando“, auch wenn Opa, Tante, Oma, die liebe Nachbarin und der zugewandte Onkel noch so begehrlich nach dem süßen Fratz gucken. Es wird gefragt! Und Ablehnung seitens des Kindes wird unterstützt und positiv verstärkt. Mantramäßiges „Dein Körper gehört dir. Nur du bestimmst, wer ihn wann und wie anfasst, knuddelt, beschmust, küsst!“  Und ein "Nein" des Kindes in diesen Zusammenhängen, ist vor allem eines, ein unverbrüchlich zu akzeptierendes "Nein". … Und, und, und … Es sind all diese Kleinigkeiten von Anfang an, die dem heranwachsenden Menschen das sichere Gefühl geben, dass seine körperlichen Grenzen niemand gegen seinen Willen überschreiten darf. Und er lernt auch, dass es richtig und erwünscht ist, wenn er sich bei Grenzverletzungen Hilfe und Unterstützung sucht und holt. Die spätere Übertragung dieser Selbstverständlichkeiten durch das Kind auch auf die eigenen psychischen Grenzen ist eine unausweichliche Folge.

Mit dieser inneren Haltung des Erwachsenen sind Übergriffe von seiner Seite dem Kinde gegenüber schon einige Riegel vorgeschoben. Elternschule erscheint mir hier ein feines Stichwort.

Was ist daran nur so schwer zu verstehen? Jeden anderen, noch so aufwendigen Erziehungsscheiß machen Eltern ohne großes Murren und mit größtem Elan mit. Warum bloß nicht bei diesem so grundlegenden Punkt?

Magische Phase

KleinMadame ist jetzt in der Magischen Phase angekommen. Monster, Gespenster, Unsichtbare Wesen werden für das Kind plötzlich real und machen Angst bzw. sind die Verarbeitungsgehilfen für ganz andere, ihm noch nicht erfass- und beschreibbare, innere Ängstlichkeiten.

Alle Bücher werden nun noch einmal aus einem ganz anderen Blickwinkel von ihr aus interpretiert. Der bisher geliebte Grüffolo (Stofftier) wird zur Oma verbannt und Mama muss die Grüffolo und andere Bücher aus dem Regal nehmen und auch nach unten verbannen. Beim morgendlichen Quatschen auf meiner Couch spielen Monster jedweder Art auf einmal die Hauptrolle. Alleinsein geht zurzeit gar nicht, denn überall hausen gar schreckliche Schrecken.

Wir nehmen das sehr ernst. Da wird nicht ausgelacht und nicht abgewiegelt. Die Monster und Gespenster sind für das Kind real, also sind sie es auch für uns. Aber wir können lenken und Tipps geben und begleiten. Beispiele:

- Wir lesen Geschichten anders vor

- Wir kennen als Erwachsene Tricks und geben Tipps zum friedlichen Zusammenleben mit Monstern & Co

- Wir schaffen gemeinsam magische Gegenstände zur Abwehr und zum Schutz

- Wir bringen neue Bücher und Geschichten ein. Von mutigen Mädchen, starken Prinzessinnen, furchtlosen Kämpferinnen und kleinen und großen, liebenswerten Monstern

- Wir danken (wem auch immer) dafür, dass sie sich ausgerechnet Mulan als ihre Heldin auserwählt hat (und nicht so eine überempfindliche Oberzicke wie die Eisprinzessin) und sind begeistert dabei, wenn sie weiter eifrig Karate und den Schwertkampf vor dem Spiegel trainiert

- Wir ermutigen sie, sich den Ängsten zu stellen und gehen mit in die dunklen Ecken.

- Wir sammeln/erschaffen gemeinsam Bannsprüche, Reime, Lieder, die die Monster vertreiben oder in freundliche Kuschelmonster umwandeln

- Wir reden miteinander und hören geduldig und aufmerksam zu. Wieder und wieder und wieder (denn im Wiederholungs-und Selbstvergewisserungphase ist sie auch noch)

- Wir wiederholen mantrartig auf Anfrage, dass die Monster und Gespenster sich von ihrer Angst nähren und dass, wenn ihre Angst weniger wird, auch die Monster schrumpfen und am Schluss nur noch das sind, was sie sind: Kleine, freche, liebenswerte Pupse im Wind.

- Wir stellen niemals ihre Wahrnehmung, und sei sie in unseren Erwachsenenaugen auch noch so abstrus, in Frage. Denn es sind ihre Wahrnehmungen und sie schenkt sie uns. Wir schaffen nur noch weitere kreative und vielfältigere Wahrnehmungsmöglichkeiten, so als Angebote. Was sie sich davon nimmt und was sie jetzt liegen lässt, das ist ihre Entscheidung.


Es ist lustig, anstrengend, lehrreich, bereichernd ihr auf den neuen Wegen der explodierenden Phantasie zu folgen. Diese Phase ist so unendlich wichtig. Denn erst, wenn diese bis zum Sattsein durchlebt werden durfte, kann die Realität als solche wahrgenommen und ohne Furcht ins eigene Kinderleben transformiert und angenommen werden.


Euer Geschwätz

Solange von einer Partei oder politischen Gruppierung keine vehemente, die Gesellschaft in ihren Grundfesten erschütternde Kampagne für Kinderrechte und gegen Gewalt, in jedweder Form, an Kindern ausgeht, kann ich deren sonstiges Geschwätz schlichtweg nicht mehr ernst nehmen.
Und wenn mir jetzt jemand mit "Nebenwiderspruch" kommt, dann schlepp ich diese Person eigenhändig mit in die Kliniken, wo die Kinder liegen, falls sie überlebt haben. Und dann erklärt dieser Jemand denen mal, kindgerecht und während er sie im Arm hält, das mit dem seltsamen Nebenwiderspruch. 


Wild, kreativ, chaotisch - na und?!

Beim Lesen dieses Artikels schoss mir spontan der Gedanke durch den Kopf:

Druck erzeugt immer Gegendruck.  

Und dann natürlich dieses Zitat:

„Es ist kein Zeichen von Gesundheit, an eine von Grund auf kranke Gesellschaft gut angepasst zu sein.“ (Jiddu Krishnamurti)

Was bedeutet dies im Umgang mit Kindern, die wild, unbändig kreativ und chaotisch sind? Da gibt es meiner Erfahrung nach kein allgemein gültiges Rezept. Zuerst einmal sollte man klären, was man selbst unter diesen Wertungen versteht. Ist mein Kind wirklich ein „wildes“ Kind oder ist es einfach nur für bestimmte Menschen in bestimmten Situationen unbequem, obwohl es sich für mich doch schlichtweg kind- und altersgerecht verhält? Übernehme ich unreflektiert Urteile und Wertungen von außen? Wie sehe ich mein Kind? Kann ich es so sein lassen, wie es ist?

In der Kindergruppe versuche ich eng am Geschehen zu sein und zu verbalisieren, was der/die Kleine noch gar nicht in Sprache fassen kann. Greif den unkontrollierbaren Affekt und den Kontext auf und gieße sie in Worte, die nicht werten.
Anstatt ein sinnentleertes „Es wird nicht geschubst!“ oder gar Bestrafung, die niemals zielführend ist, lieber ein: „Ja, du bist so richtig wütend gerade, weil der XY dir einfach die Schippe weggenommen hat. Das verstehe ich. Ich wäre da auch wütend. Was könntest du denn jetzt machen, damit ihr beide was von der Schippe habt?“ Ja, das klingt sehr erwachsen und ein Kind mit drei wird da nicht voll anspringen drauf. Zumindest nicht sofort. Aber, wenn es das öfters hört, oder noch besser, wenn ich meine Gefühle vor ihm immer wieder benenne und es erlebt, dass ich auch wütend, enttäuscht, genervt sein kann und dann nach Lösungen suche, die nicht gewalttätig sind, dann hat es die Chance zu verstehen, dass man diese Gefühle sehr wohl haben darf und dass es mehr als einen Lösungsweg gibt. Geduld und Vorbild. Benennen und nicht werten. Lösungswege vorleben. Dies setzt allerdings in einer Kindergruppe ausreichend Personal und ein gut trainiertes und Hand in Hand arbeitendes Team voraus. Beobachten, begleiten, immer wissend, um was es gerade eigentlich geht. Prozesse in den Interaktionsverläufen der Kinder überblicken. Wenige, klare, einfache und nachvollziehbare Regeln des Zusammenlebens.

Im Privaten würde ich Spielplatzsituationen umgehen, da meine Loyalität immer den Kindern gehört und ich den Stress und den Kampf mit unbelehrbaren Erwachsenen auf Dauer nicht aushalten würde. Ich spreche aus Erfahrung, denn zumindest mein Sohn war ein „wildes“ Kind. Unbändig selbstbewusst, ständig in Bewegung und für lange Zeit der einzige Mittelpunkt seiner Welt. Ja, auch in meiner Wahrnehmung. Wir hatten das Glück, dass wir in einem sozialen Umfeld lebten, in dem ähnliche „Erziehungs“konzepte vorherrschten. Alternativen zu den öffentlichen Spielplätzen suchen, bedeutete dann: Anstatt gängiger Spielplatz, den Hinterhof kinderfreundlich gestalten und immer viele Besuchskinder. Und dann natürlich der Abenteuerspielplatz. Sport und Bewegung in passenden Vereinen. Zeichenkurse waren auch angesagt. Haustiere, viel Lego und, und, und … Alternativen halt, die den Bedürfnissen dieses einzigartigen Kindes entsprachen.

Zeit, Geduld, bedingungslose Aufmerksamkeit und Liebe.

Noch kurz eine Bemerkung zu dem „innerlich einsam sein“ (in dem Artikel) wegen den Abwertungen durch das soziale Umfeld. Nöh, ich wäre da nicht einsam, denn ich, als Erwachsene, würde mir ein Umfeld schaffen, in dem es Menschen gibt, die meinen Blick auf Kinder und auch auf mein Kind teilen würden. Und den Kindergarten würde ich ratzfatz wechseln.


Ach, die Jugend!

„Als neulich Schnee lag und meine Nachbarskinder ihre kleinen Schlitten auf der Straße ausprobieren wollten, sogleich war ein Polizeidiener nahe, und ich sah die armen Dingerchen fliehen, so schnell sie konnten. Jetzt, wo die Frühlingssonne sie aus den Häusern lockt und sie mit Ihresgleichen vor ihren Türen gerne ein Spielchen machten, sehe ich sie immer geniert, als wären sie nicht sicher und als fürchteten sie das Herannahen irgendeines polizeilichen Machthabers. Es darf kein Bube mit der Peitsche knallen oder singen oder rufen, sogleich ist die Polizei da, es ihm zu verbieten. Es geht bei uns alles dahin, die liebe Jugend frühzeitig zahm zu machen und alle Natur, alle Originalität und alle Wildheit auszutreiben, so daß am Ende nichts übrigbleibt als der Philister.“ (Goethe)

1

Ich arbeite seit Jahren sehr viel mit Kindern im Vor- und Grundschulbereich, verbunden mit einer intensiven Elternarbeit. Diese kleinen Wesen sind offen, kreativ, lebendig, aufsässig, fragend, neugierig bis zum Anschlag, hoch motiviert und motivierbar. Dann treffe ich sie in der Regel in der siebten/achten Klasse wieder (intensive Elternarbeit kann dann oft nur noch durch eine recht provozierende Einladung von mir initiiert werden). Aus den quicklebendigen Wesen sind oft "coole", desinteressierte, abgenervte, gelangweilte, desillusionierte, aggressive, unglückliche junge Menschen geworden. Was könnten mögliche Gründe dafür sein? Was ist schief gelaufen in der Zwischenzeit?
Sicherlich, die Pubertät tobt durch Körper und Gemüt. Ein sehr beliebtes Argument der Erwachsenen. Oder die neuen Medien sind schuld dran. Die Beteiligung an Elternabenden nimmt rapide an Quantität und Lautstärke zu, wenn dieses wunderbar entlastende Argument in den Raum kullert. Ich glaube und traue all diesen und anderen so einseitig Schuld, oder besser Verantwortung, zuschreibenden Erklärungen nicht. Sie mögen ihren Anteil haben, sicher.

Aber, und dieses Aber ist ein dickes, ist es nicht vielmehr auch so, dass die fragenden, neugierigen, vertrauensvollen Kinder von damals inzwischen klug genug sind unsere erwachsenen Spiele, unsere Inkonsequenzen, unsere Lügen, unsere gelebten und verdrängten Widersprüche zu durchschauen? Haben sie uns inzwischen nicht gemessen an den Ansprüchen und Werten, die wir ihnen vor Jahren so wunderschön abends vor dem Einschlafen über Geschichten und Märchen und in Gesprächen vermittelten? Müssen sie nicht unendlich verwirrt und enttäuscht sein, wenn sie feststellen: Wir sind nicht was wir sagen und die Welt ist es schon gar nicht.

Haben wir ihnen Handlungsmuster an die Hand gegeben, mit denen sie mit diesen Widersprüchlichkeiten umgehen zu können gelernt haben? Sind wir Vorbilder in Selbstkritik, Reflexion, Zivilcourage? Haben sie von uns, durch unser Handeln Wohlwollen, Mitgefühl, Liebe gelernt? Haben sie außer Regeln und Pflichten auch gelernt, dass man manchmal die Konsequenzen von Regelbrüchen bewusst in Kauf nehmen muss, einfach weil es das wert ist und dass man neben Pflichten, gleichwertig, auch Rechte hat? Haben sie erfahren, dass wir da sind, wenn sie uns brauchen - ich meine real da, nicht nur am Telefon, über den Messenger oder nach Terminkalender? Haben sie erlebt, dass es unsere Aufgabe ist, uns zu kümmern und zu sorgen und zwar ohne jeden Anspruch auf Gegenleistung? Haben wir ihnen oft genug gesagt, dass sie gewollt und geliebt sind, ohne Wenn und Abers? Lassen wir los, wenn Lossagen angesagt ist und legen wir unsere Arme zärtlich und schützend ohne zu erdrücken um sie, wenn sie straucheln?

Oh ja, ich könnte so weiter und weiter schreiben. Nein, es gibt bestimmt keine eindimensionalen Erklärungen und die Verantwortlichkeiten sind vielschichtig verteilt. Nur werde ich traurig und immer öfter wütend, wenn ich die Sprüche von der schrecklichen heutigen Jugend und all dem höre. Da ist nichts Schreckliches. Da ist nur solch eine brennende Sehnsucht, schmerzende Einsamkeit, solch eine abgrundtiefe Hoffnungs- und Hilflosigkeit und nicht mal ein Hauch von Lösungskompetenz bei so vielen.

Und nein, ich entschuldige damit gar nichts und wiegle auch nicht ab. Kriminelle Jugendliche gehören auf den heißen Stuhl und haben die Konsequenzen ihres Verhaltens zu tragen. Nur, sollten wir nicht einen klitzekleinen Augenblick innehalten und uns fragen: Wenn wir nicht rückgängig machen können, sollten wir dann nicht jetzt und sofort bei nachfolgenden Generation anders?

2

Welt und sich selbst zu entdecken heißt auch Grenzen auszuprobieren. Sozialverhalten lehrt und lernt sich nicht einfach durch Grenzsetzung und unbedingten Gehorsam. Da will be"griffen" werden. Kinder ernst zu nehmen bedeutet auch, sie wohlwollend zu begleiten. Begleitung ist für mich nicht "Arbeit". Ich kann mit dem Begriff Erziehungsarbeit nichts anfangen. Irgendwie habe ich dann immer die Assoziation von "solange du deine Füße unter meinen Tisch...". Genau darum geht es nicht. Kinder haben ein Recht auf unsere Aufmerksamkeit, unsere Zeit, unsere Geduld und Versorgung. Ohne Aufrechnungen.

Ja, ich kenne dieses Argument mit den Eltern der 70er Jahre. "Antiautoritäre Erziehung" ist mittlerweile in Deutschland ein Todschlagargument in jeder Diskussion über Werteerziehung und Verantwortlichkeiten geworden. Leider weiß ich aber auch, dass kein anderer Begriff derart oft ohne Wissen um seine Geschichte und Inhalte benutzt wurde und wird.

Ich habe meine Kinder damals bewusst in einen Kinderladen gegeben und bewusst in dieser Form mit Kindern und Eltern gearbeitet. Und ich kann nur versichern, wenn man diese Form der Pädagogik nicht nur als sinnentleertes Aushängeschild für seine Einrichtung benutzte, sondern sich an den Grundgedanken orientierte und weiterentwickelte, dann hat dies mit " Laissez-Fair" nichts, aber gar nichts zu tun. Es bedeutet hoch aufmerksam und konzentriert immer anwesend zu sein. Immer zu wissen, wo das Kind gerade steht, wo befindet es sich innerhalb der Gruppe, wie es ihm geht, wie es in seinen anderen Umfeldern aussieht. Immer im Hier und Jetzt neben dem Kind zu sein. Permanent sein eigenes Tun zu überprüfen. Begleiten bedeutet nicht, einfach nur den gleichen Weg nebeneinander herzulaufen. Es bedeutet das Gegenüber ständig reziprok wahrzunehmen, damit man im richtigen Moment stützen oder loslassen kann. Elternarbeit in diesem Zusammenhang bedeutet deshalb auch nicht nur ab und an Elternabende durchzuführen. Sondern in einem permanenten offenen Austausch mit den Eltern zu stehen. Tag für Tag. Da geht es um mehr als nur um Gespräche über "Erziehung". Es geht um eine ganzheitliche Zusammenarbeit zum Wohle des Kindes.

Nun, ich kann hier nicht all meine Erfahrungen der letzten Jahrzehnte darlegen. Mein bestes Argument sind eh die Jugendlichen, die aus unserer bzw. aus Einrichtungen mit ähnlichen Vorstellungen und Tun hervorgegangen sind. Ich empfehle einfach mal sich die Langzeitstudien zum Beispiel zu Freien Schulen im angloamerikanischen Raum anzusehen. Sie sprechen für sich. Allerdings, und auch dies sei gesagt: in unserem Lande haben wir in kürzester Zeit sogar diesen äußerst positiven Ansatz, aus welchen Gründen auch immer, entkernt und in verquerter Art und Weise in unser bisheriges Erziehungssystem eingepasst. Und vieles, was heute rückwirkend als "antiautoritäre Erziehung" verschrien wird, hatte niemals auch nur im Ansatz etwas damit zu tun.

Die ersten Jahre sind die wesentlichen Jahre. Wird hier etwas falsch angelegt, dann lässt es sich auch mit noch so tollen und teuren Programmen in der Jugendzeit nicht mehr grundlegend verändern. Leider schafften wir es bisher nicht dieses Wissen in konkrete äußere Formen zu gießen, die es jungen Eltern und außerfamiliären Erziehungseinrichtungen erlaubt sich adäquat dieser Herausforderung zu stellen.

Wiederholung: "Wir können!"

Weil es so wichtig ist -> 

Können wir Kinder vor Gewalt in jedweder Form und deren Folgen schützen?

Immer? Nein. Immer öfters? Natürlich. Könnten wir. Wir könnten eine Menge tun:

Wir könnten uns bedingungslos an ihre Seite stellen. Wir könnten jedwede Form von Gewalt sofort laut und deutlich an- und aussprechen.

Wir könnten ein gesellschaftliches Klima schaffen, in dem Gewalt, Erniedrigung, Liebes- und Fürsorgeentzug, Erpressung, Ausbeutung und Einschüchterung keine anerkannten oder stillschweigend hingenommenen Formen des Umganges mit Kindern mehr sind.

Wir könnten das Wohl des Kindes über die elterliche Verfügungsgewalt und den Schutz der Familie stellen.

Wir könnten unsere Gesetzgebung schärfen und Verjährungsfristen in Fällen jeglicher Gewalt gegen Kinder in die Mülltonne kloppen.

Und wir könnten als pädagogischen Grundkonsens vereinbaren und leben: Macht Kinder stark und selbstbewusst, lehrt sie "nein!" zu sagen, selbstständige Entscheidungen treffen zu können, eigene Meinungen zu haben, widerständig zu sein und sich mit Autoritäten kritisch auseinanderzusetzen.

Wir könnten ihnen Raum für die Entwicklung ihrer! Persönlichkeiten geben und sie nicht zu Abziehbildern unserer unterdrückten Erwachsenenträume erziehen.

Wir könnten den Kindern von klein auf ihre Rechte beibringen und diese, für sie und mit ihnen, ohne Wenn und Aber in jeder Situation vehement verteidigen.

Wir könnten aus dem "Könnten" ein Können machen. Können wir!

Gelassenheit und Vertrauen

Das Schöne ist ja: Kleine Kinder wollen und können gar nicht anders als zu lernen. KleinMadame (3J) isst mit Gabel, hält den Stift richtig in den Fingern, rennt Pipi/Kacka schreiend kichernd auf die Toilette, schwatzt uns in ganzen vollständigen Sätzen das Ohr ab, räumt aus und ein und weg und denkt sich eigene Spiele und Geschichten aus, will, will nicht, lacht und weint und singt und tanzt, setzt Grenzen, rennt gegen Grenzen an, erweitert, akzeptiert, probiert aus, entdeckt sich und die Welt mit unendlicher Neugierde ... ... und, und, und. Alles das, alles in ihrem eigenen Tempo, ohne dass wir uns bisher über irgendeines dieser Dinge einen großen erzieherischen Kopf gemacht hätten. Sie lebt einfach mit uns, guckt zu und ab und macht ihr Ding. Und wir unseres. Und wir alle zusammen unser gemeinsames. Unsere Gelassenheit und unser gegenseitiges Vertrauen trägt uns. Das war es schon.

Wenn - Dann

„Kommt man wirklich ohne „wenn du nicht…, dann…“ im Zusammenleben mit Kindern aus?“

„Nöh. Weil wir keine Maschinen sind, weil Alltag stressig sein kann, weil wir oft ganz schrecklich hilflos und überfordert sind, weil es Situationen gibt, in denen aus allen Ecken an uns rumgezerrt wird, und, und, und.“

„Und dann?“

„Was dann? Wir brechen zusammen und fühlen uns sooooo schuldig. Sind schlechte Mütter und Väter und haben jetzt endgültig das Leben unserer Kinder total und ein für alle Mal versaut!... ... ... Quatsch!!! Ernsthaft: Darum geht es gar nicht. Es geht um die prinzipielle innere Haltung zum Kind. Um klare und immer wieder neu reflektierte und kalibrierte Rahmenrichtlinien in unseren Köpfen und Herzen. Eine Richtschnur, feste Säulen, Glaubenssätze, Leuchtfeuer, an denen wir uns entlang hangeln, scheitern, sie hinterfragen, die Richtung haltend und es wieder und wieder mit aller Kraft und unter dem Einbringen unserer ganzen Person versuchen.

Wer behauptet, er/sie hätte nie im Alltag auch schon in den pädagogischen Mistkübel gegriffen, der lügt bzw. belügt sich selbst. Es zu bemerken und dann zeitnah zu kommunizieren, darum geht es. Auch. Sich erklären, sich, wenn passend, zu entschuldigen. Es geht nicht um Rechtfertigung, denn im Recht war man da sicher nicht und es ist auch kein passender Begriff in diesem Kontext.

Auch ich habe zu meinen Kindern damals ab und an gesagt, dass ich keinen mehr Bock hätte, dies oder jenes zu tun, solange sie nicht vorher dies oder jenes machen würden. Auch ich bin wie ein Flummi hopsend durch die Wohnung gerast und habe die Wenn-Dann-Formel gebrüllt. Wobei, beim Füllen des Dann bin ich meistens hängen geblieben, weil mir nichts Gescheites einfiel. Brachte ja auch so gar nichts, wurde meistens sofort von mir bemerkt und in der Regel lagen wir dann gemeinsam lachend ob diesem absolut sinnlosen Unfug von mir im Flur oder auf der Couch. Oder wir hatten ein Gespräch am Küchentisch. Als sie älter waren, so Schuleintrittsalter, langte es oft, dass ich sie um Rat fragte: Euer Verhalten macht das und das mit mir, ich fühle mich dann so hilflos und überfordert. Ich weiß nicht, was ich dann machen soll, so ganz und gar nicht. Was würdet ihr denn an meiner Stelle tun? Es kamen immer tolle Vorschläge.

Allerdings gab es einmal ein Wenn-Dann, das ging tief, bei mir und bei ihnen: Die Zimmer sahen aus wie Müllhalden, es lebte quasi schon in allen Ecken und sie ignorierten mich völlig. Da rutschte mir, im ganz leisen Ton, raus: Wenn ihr nicht Kinder wärt, sondern Erwachsene, dann würde ich ab sofort nicht mehr mit euch zusammenwohnen, sondern euch einfach rausschmeißen. Weil ich keinem Erwachsenen erlauben würde, so mit mir umzugehen. Das saß. Bei ihnen und mir. … … … Wir haben dann gemeinsam eine Lösung gefunden. Martha. Eine Putzwunderbarefrau. Die machte, beim ersten Besuch, die klare Ansage zu den Kindern, und zwar direkt zu den Kindern, ich war da ganz außen vor, dass sie keinen Handschlag in ihren Zimmern machen würde, wenn nicht aufgeräumt sei. Also entzerrten wir das elendige Aufräumthema derart, dass nur noch am Abend vorher wir alle unseren Kram aufräumten und in den Tagen dazwischen es einfach kein Thema war. War eine tolle Zeit. Danke Martha!

Warum erzähl ich das alles? Weil ich klar stellen wollte, dass, trotz besserem Kopfwissen, keiner von uns 24 Stunden rund und perfekt läuft. Und das es darum halt einfach auch nicht geht. Die Kinder dürfen sehr wohl erleben, dass wir Fehler machen und toll unperfekt sein können. Dass es darum geht, das zu kommunizieren und sie am eigenen Lernprozess zu beteiligen. Und dass wir so viel voneinander lernen können. Und das wir gemeinsam für die Qualität unseres Zusammenlebens verantwortlich sind. Gemeinsam.  Denn sie sind, genau wie wir, die wirklichen Experten ihrer selbst.

War das jetzt irgendwie verständlich?“

Blitzlicht "Elternarbeit"

Für mich ist Arbeit mit den Eltern, in außerfamiliären Betreuungseinrichtungen für Kinder bis sechs Jahre, ein langwieriger Prozess, der viel Geduld und einen erheblichen Zeitaufwand benötigt.

Es muss ein gewachsenes Vertrauensverhältnis geschaffen werden, da nur dann überhaupt die Chance besteht, dass sie einem irgendwann wirklich zuhören können. Dies bedeutet aber, dass es mehr geben muss, als nur die zwischen Tür und Angel Gespräche beim Bringen und Abholen der Kinder und es bedeutet auch, dass man nicht mit erhobenen Zeigefinger durch die Elternwelt stampfen darf, sondern authentisch vermittelt, dass man sich ernsthaft interessiert und dass man davon ausgeht, dass sie es gut meinen mit ihren Kindern, dass man ihnen zuhört und sie in all ihren Widersprüchen ernst nimmt.

Der Abwehrkrampf meiner TeamkollegInnen gegen diese Art der Zusammenarbeit mit den Eltern war immer heftig, weil es in der konkreten Arbeitssituation auch bedeutete, noch mehr Zeit zu investieren, als die, die man, ohnehin schon mies bezahlt und nie ausreichend, bei einem rein funktionalen Ablauf benötigte.

Ein irrer Kreislauf. Der alle Beteiligten verzweifeln lässt.

Bewegungsdrang und Kinderturnen

Wenn beim „Turnen für die Kleinen (3-4Jahre)“ die Kinder immer wieder herrisch darauf hingewiesen werden, dass man hier nicht zusammen rennen und über die Matten toben darf und wenn beim Abschiedsliedsingen auf dem Händchen halten in Kreisform bestanden wird und KleinMadame einen Anschiss bekommt, wenn sie in der Mitte des Kreises tanzt und klatscht, und wenn ihre Mutter darauf hingewiesen wird, dass das Kind doch bitte nicht wie ein Pferd laut wiehernd (eines der Lieblingsspiele zur Zeit, weil unterschiedliche Pferde nämlich unterschiedlich wiehern und sich bewegen) durch die Halle rennen solle, weil das die anderen Kinder zum Mitmachen animiere und dies doch sehr störend sei, dann, ja dann, war es das, mit dem Kinderturnen an diesem Ort *grummel

*Anmerkung
Die meisten anwesenden Mütter finden es gut, dass schon hier auf Disziplin geachtet und der Bewegungsdrang der Kinder erzieherisch eingeschränkt wird. Immerhin müssten diese es ja so früh wie möglich lernen, damit es dann später keinen Stress in der Schule gäbe.

**Anmerkung
Ich erinnere mich gerade daran, wie die Kleinen bei den Ringern im Training und vor den Kämpfen und in den Pausen immer über die Matten getobt sind und die Erwachsenen dies lächelnd begleiteten und manch einer sich lachend mit in das Getümmel stürzte.

***Anmerkung
Das habe ich mir nicht ausgedacht.

Das Verstörende ist ja: Das sind alles sehr liebe, freundliche, hilfsbereite Menschen, so unter uns Erwachsenen. Wir kennen uns ja alle aus der Nachbarschaft. Sie lieben ihre Kinder und wollen das Beste für sie. Unbesehen. Doch sie sehen nicht, was da allereigentlich geschieht und was sie ihren Kindern antun und mitgeben. Es ist so, als müsste man jedes Mal wieder bei null anfangen. Es ist dieses alte Bild vom Kind, was da durchschlägt und für mich persönlich ist es immer, als würde ich in eine mir fremde Welt eintauchen, die sie als Normalität bezeichnen, die für mich aber nur total strange ist. Anstrengend. Bewegung ist ja viel mehr als nur Herumtoben. Ich glaube, der Prof. Dr. Gerald Hüther hat mal gesagt: "Wenn Sie wollen, dass ihr Kind ein Mathegenie wird, dann bringen Sie ihm bei auf Bäume zu klettern, über Bäche zu springen und auf dünnen Brettern zu balancieren." oder so ähnlich.

Gewalt gegen Kinder

Ich verstehe es nicht. Wir haben die Gesetze. Wir haben die Kinderrechtskonvention. Wir haben viele Organisationen, die sich für Kinder einsetzen. Wir haben Ausschüsse noch und nöcher. Wir haben engagierte Menschen. Wir haben fundierte Untersuchungsberichte und Informationsmaterialien bis zum Anschlag, sowohl gedruckte als auch virtuelle. Wir wissen seit Jahrzehnten um die Ursachen und um die Folgen. Trotzdem sind Schutz und Rechte von Kindern nur Randthemen im öffentlichen Bewusstsein und Gewalt gegen Kinder findet immer wieder und weiter statt. Die Zahlen steigen Jahr für Jahr. Ich kapiere es nicht.

Manchmal denke ich, dass wir da nicht weiterkommen, könnte vielleicht damit zu tun haben, dass die meisten Menschen entweder Täter, Mitläufer, Verschweiger oder Opfer in irgendeiner Form sind und von daher das Thema umschiffen und verdrängen. Anders kann ich es mir nicht mehr erklären. 

Plaudereien

Ich bin hin und weg von der Sprachentwicklung und der argumentativen Kompetenz von KleinMadame  (3J)   ;-)

Spielplatz.

"Guck mal, alle Kinder sind schon nach Hause gegangen. Wir könnten jetzt doch auch gehen, oder?"

"Jaaaa. Kinder sind weg. Bin doch nicht dumm. Ich muss aber noch fertig spielen."

Auch gut:

"Ich will aber!!!!" Gekreische, dass du denkst, die Plomben fallen dir aus dem Mund.

"Wie wäre es mit bitte? Das funktioniert ganz gut."

Man sieht quasi wie die Denkmaschine im Köpfchen arbeitet.

"Bitte!"

Sie bekommt, um was sie bat.

Und kreischt wieder los.

"Sag mal, warum schreist du jetzt? Du hast doch bekommen, was du wolltest."

"Ich war aber noch nicht fertig mit Schreien."

Und dann dieser Blick. Sie ist noch so klein und guckt mich dabei von oben herab an. Und ich gebe mich lachend geschlagen.

Oder, eben im Garten. Sie fährt mit dem Dreirad, ich setz mich auf den Stuhl. Schwupps, kommt sie angerannt: "Da will ich sitzen!"

"Nöh, hier sitze jetzt ich. Du kannst dich auf die Bank setzen."

Drama hoch zehn. Mit Tränen, Schnappatmung, heulend im Haus verschwinden, wieder auftauchen, tobend.

Weil meine Nerven nicht mehr die jüngsten sind: "Okay, dann nehme ich deine Kreide und du bekommst den Stuhl."

KleinMadame schnappt sich empört die Kreide und verzieht sich in die hinterste Ecke des Hofes. Malt. Ruft dann, ich solle kommen und es mir ansehen. Mach ich natürlich. Während ich gucke, rennt sie zum Stuhl, klettert drauf, thront wie eine Königin und lacht mich strahlend an. So sehen gewinnende Trickserinnen aus. Ich liebe sie!

Ist sie eine Zicke? Nein, sie ist trickreich, gewieft, kreativ, schlau, bestimmend, dickköpfig, selbstbewusst und eine wunderbare Dramaqueen.

Wenn sie so vor dem Spiegel steht und mit sich selbst spricht und alle möglichen Gefühle versucht mimisch auszudrücken, da badet sie in der staunenden Bewunderung ihrer Möglichkeiten und ist Königin ihres Selbst. Soooo schön!

Grundsätzliche Haltung zum Kind

Es gibt zwei grundsätzliche innere Haltungen in Bezug auf das Bild vom Kind:

1. Das Kind kommt als fehlerhaftes Wesen auf die Welt und muss durch Erziehung zu einem sozial verträglichen Gesellschaftsmitglied geformt werden.

2. Das Kind kommt als zutiefst soziales Wesen auf die Welt und verfügt über alle dazugehörigen Eigenschaften wie Empathie, Mitgefühl, Vertrauen in sich und andere, Offenheit und freundliche Neugierde. Es hat keine Vorurteile und liebt bedingungslos. Diese Eigenschaften sollen durch das Zusammenleben bestärkt, gefördert und ermutigt werden.

In jedem von uns liegt der Schwerpunkt und die Ausrichtung auf einer dieser Haltungen. Es ist wichtig, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, denn entsprechend dieser Haltung verhalten wir uns gegenüber dem Kind.

Ich habe oft erlebt, dass Eltern sich durch Freunde, Familie, Ratgeber verunsichern lassen, weil sie sich ihres inneren Bildes vom Kind an sich nicht klar waren. Das führt in der alltäglichen Praxis meistens zu im schnellen Tempo wechselnden, sich widersprechenden Verhaltensweisen gegenüber dem Kind. Verwirrt (und manchmal gar verzweifelt über sich) ist dann nicht nur der jeweilige Erwachsene, sondern vor allem auch die Kinder.

Es gibt nichts Schrecklicheres für Kinder als dieses Hin und Her zwischen unterschiedlichen Erziehungsstilen. Heute Hü und morgen Hott. Das verunsichert. Da ist keine Verlässlichkeit und genau diese braucht es doch so sehr von seinen Erwachsenen, denn vor allem sie gibt ihm die Sicherheit, von der ausgehend es die Welt erobern kann.

Ich habe in der Elternarbeit, auch in außerfamiliären Einrichtungen, oft Eltern dabei geholfen, sich über diese innere Haltung klar zu werden und mit ihnen dann gegebenenfalls nach andere Einrichtungen gesucht, die viel besser zu ihrem Bild vom Kind und von Erziehung passten. Solange es sich nicht um extreme Erziehungshaltungen (Stichwort Schwarze Pädagogik) handelt, halte ich es auch heute noch für richtig, dass Eltern sich in ihrem Umgang mit dem Kind nicht in etwas hineindrängen lassen, das konträr zu ihren eigenen inneren Haltungen steht.

Authentizität gegenüber dem Kind erscheint mir als Vorbild und zum Wohle des Kindes allemal besser als ein ständig sich widersprechendes Hin und Her. Denn dieses nicht Verlässliche verunsichert ein Kind auf der Beziehungsebene dermaßen, dass es keine Chance hat mit sich selbst ins Reine zu kommen und im Laufe seiner Entwicklung in der Regel eine Reihe von auffälligen Symptomen entwickeln wird.

Meine Erfahrung ist auch, dass später in der Pubertät die notwendige Ichfindung und -stabilisierung durch Abgrenzung von den Eltern, viel grundlegender und „gesünder“ stattfinden kann, wenn das vorherige Erziehungsmodell als authentisch und ehrlich empfunden wurde.

Nichtsdestotrotz gebe ich mir natürlich alle Mühe, Menschen und werdende Eltern davon zu überzeugen, dass die zweite Sichtweise/Haltung in meiner Wahrnehmung natürlich die bessere für alle Beteiligten sei.


Urvertrauen

Ja, ich denke der Säugling hat das, allein schon deshalb, weil dieses bedingungslose Vertrauen (das meint Urvertrauen) in der Regel im Mutterbauch neun Monate lang bestätigt wird. Und dann braucht er es ja die ersten Jahre. Er vertraut, dass er in seiner Bedürftigkeit wahrgenommen, gehört wird. In dieser Zeit allerdings kann es sowohl gefestigt als auch zerstört werden. Es dann später wieder aufzubauen, also dieses Urvertrauen - kenne ich kein positives Beispiel dafür. Vertrauen ja, aber nie mehr bedingungslos.

Hoch motiviert

Kinder kommen mit einer wunderbaren Gabe auf die Welt: Sie wollen lernen. Sie können lernen. Vom ersten Moment an. Was für ein Hammer. Damit ließe es sich doch prima interagieren, oder?

Wenn ich mir jedoch die ganzen öffentlichen Programme des Förderns und Forderns von Krabbelstuben bis zum Ende der Schulzeit genauer ansehe, dann stelle ich fest, dass es da ein gemeinsames, unausgesprochenes  Ziel zu geben scheint: Zerstört zügig und gerichtet diesen natürlichen Lernwillen. Kanalisiert ihn, schränkt ihn ein, ummauert ihn, zwingt ihn in diese oder jene Richtung. 

Und wenn das alles nicht funktioniert, dann macht ihn kaputt.

Der immense Aufwand, der dabei betrieben wird, bringt mich immer wieder zu der Frage: Vor was hat da wer und warum solche Angst? 

Tanze!

Ich mag dieses Video. Das eine schließt das andere nicht aus. Träume nicht beiseite schieben, sondern integrieren ins Hier und Jetzt. Einbinden in den Alltag. Nicht vergessen: Sorge für dich, dann kannst du auch für andere sorgen. Balance halten. Die Kinder sind eine Bereicherung für dein Leben, sei eine Bereicherung für das Leben deiner Kinder. Zeige ihnen, lebe ihnen vor, dass Träume umsetzbar sind. Tanze, tanze, tanze!

Niemals!

„So gehst du mir nicht aus dem Haus!“

Oh, ich erinnere mich genau: Hotpants waren damals der letzte Schrei. Aber ich durfte sie nicht anziehen. Zu unanständig. Zu provokant. Also Zwischenlager eingerichtet bei einer Freundin zum Umziehen vor und nach der Schule. Was ein Stress das gab, als meine Mutter mich dann mal unangekündigt von Schule abholte.

Ich habe mir damals geschworen, dass ich sowas niemals! zu meiner Tochter sagen und nie, niemals so einen Zirkus veranstalten würde.

Dann stand sie mit zehn Jahren im neckischen Bauch freiem Shirt vor mit. 

Und was passierte? Ich hab es gesagt! 

Pubertät. Wahnsinn.

Bester Rat für Eltern pubertierender Wesen: Es geht vorbei!

Kennst du das? Man sitzt gemütlich vorm PC, vertieft in irgendein ruhiges Spiel. Ganz entspannt und gelassen.

Ein Kreischen lässt einem von jetzt auf gleich erstarren und dann in panisches Entsetzen fallen.

Man springt auf, weil man denkt, der Gasboiler sei explodiert, der Hamster verreckt, die Waschmaschine ausgelaufen. Man stürzt in den Flur und dort steht die Tochter vorm Spiegel und schreit wie am Spieß.

Zumindest ähnelt dieses rotangelaufene, etwas schlaksige Wesen mit den zu langen Armen, die wie wild an irgendwelchen Kleiderfetzen rumzerren, entfernt dem Bild von dem süßen kleinen Dingelchen von vor kurzer Zeit, das man noch im Kopf mit sich herumträgt.

Auf die vorsichtige Frage (man ist ja lernfähig und bleibt lieber etwas indirekt), was denn los sei, bekommt man halb schluchzend, halb röchelnd mitgeteilt (kennst du den sterbenden Schwan? Ja, so in etwa!), dass die Welt am Untergehen sei, weil es nichts, aber auch gar nichts zum Anziehen gäbe für den heutigen Geburtstagsbesuch bei der besten Freundin!

Ähm.

Die leise geäußerte Vermutung, dass sie vielleicht nicht richtig in ihren Schrank geguckt hätte, führt dazu, dass der Ton ihrer Stimme um einige Grad tiefer und kälter wird.

"Man Mama, da ist doch nur Schrott drin. Wer soll das denn anziehen. Da gibt es nix drin, gar nix, was mir passt. Alle haben so tolle Kleider, nur ich, ich habe nichts!"

Ähm.

"Waren wir nicht erst vor einigen Tagen einkaufen? T-Shirts, Hose und Rock?"

"Och, das ist doch uralt. Außerdem hat die Kati gesagt, die Marianne meinte, und Amelie und Jule auch, aber die haben eh keine Ahnung, dass so was doch keiner mehr trägt! Ich will mich doch nicht blamieren! Und außerdem ist der Max doch auch da."

"Warum hast du es dir denn dann ausgesucht?"

"Weil ich dachte, dass es ...  dass es… ."

Blick zur Decke. Dann werden die Augen zugekniffen.

"Warum mischst du dich da überhaupt ein? Immer musst du mit mir rumbrüllen. Du hast doch keine Ahnung. So wie du rumläufst. Völlig uncool. Und Schuhe brauch ich auch neue!"

Ähm.

"Du hast noch welche im Schuhschrank."

"Und wozu soll ich die bitte anziehen? Die passen doch gar nicht zu meinen Klamotten!"

"Naja, da du eh angeblich keine coolen Sachen hast, ist es doch egal, zu was du die Schuhe anziehst. Hauptsache, du hast was an den Füssen."

Große Augen ihrerseits, Denkfalten auf der Stirn. Es qualmt quasi überm Kopf.

"Du bist so gemein. Alle bekommen neue Kleider. Nur ich nicht. Du liebst meinen Bruder ja eh mehr als mich. Der darf Filme gucken abends und ich nicht. Alle dürfen bis 22 Uhr raus, nur ich nicht. So war das schon immer! Immer! Immer! Keiner hat mich wirklich lieb!"

Ähm.

"Was hat das jetzt mit den Schuhen zu tun?"

"Du verstehst mich nicht. Keiner versteht mich. Alle hacken nur auf mir rum. Ich hasse euch alle, alle°! Und wenn wir nicht hier unten wohnen würden, dann, ja dann würde ich mich aus dem Fenster stürzen und dann würdest du schon sehen, was du davon hast!"

Tür knallt zu.

Den Tränen nahe greift man zum Telefon und ruft die beste Freundin an. Berät sich mit ihr. Ist man zu streng? Zu unnachgiebig. Nicht tolerant genug? Wälzt das Problem hin und her.  Überlegt sich eine tolle, pädagogisch einwandfreie Strategie für ein klärendes Gespräch.

Die Tür geht auf. Das Wesen, das wie die Tochter aussieht, kommt rein gehuscht, kuschelt sich auf den Schoß, küsst und knuddelt.

"Mamilein, kommst du bitte mit in den Keller? Biiiitteee. Ich möcht was aus der Truhe holen. Aber mich gruselt es so. Biiiitteeee!“

Achterbahnfahren. Unangeschnallt. Aber immerhin kostenlos.

Rückenschmerzen

"Es gibt viele Gründe dafür, dass Rückenschmerzen nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern und Jugendlichen zunehmen", sagt Marcus Schiltenwolf, Orthopäde an der Uniklinik Heidelberg. "Kinder spielen weniger und bewegen sich weniger draußen. Das führt zum Verlust an körperlicher Kompetenz, Fitness, und Körperkontrolle. Die Bewegungsfreude hat nachgelassen."

Sicher, Bewegungsmangel und auch seelischer Druck sind mit Gründe für die immer öfter auftretenden Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen.

Wenn ich mir allerdings früh morgens im Bus anschaue, was die Kinder da auf dem Rücken in die Schule schleppen, dann brauche ich keine wissenschaftlichen Studien, um mir zu erklären, warum da was schmerzt im Rücken. Ich habe vor Wochen so einen Schulranzen für ein kleines Mädchen mit zur Schule getragen, weil ich es nicht aushielt ihr zuzusehen, wie sie sich mit Ranzen und einem riesigem Turnbeutel abquälte. Danach war ich geschafft. Haben die einen Knall, das dem Kind zweimal am Tag zuzumuten? Warum machen die Eltern das mit?

Ernährung

Meine Erfahrung: Kleine Kinder haben in der Regel ein gutes und sicheres Sättigungsgefühl. Es wird ihnen aber immer noch abtrainiert, indem sie gezwungen werden, zu festgelegten Zeiten, vorgegebene Speisen in einer bestimmten Menge zu sich zu nehmen. Dies gilt auch und besonders für Säuglinge, denn hier fängt es an.

Ja, ich denke, es hat sich etwas verändert, doch es reicht noch lange nicht. Fürs Erste  spricht, dass sich immer mehr Erwachsene kluge Gedanken über die Ernährung machen, fürs Zweite spricht, dass dies manchmal in einem kontraproduktiven Brimborium auf Kosten der Kinder ausartet und immer noch der, oft gutgemeinte, Zwang die Nahrungsaufnahme bestimmt.

Hilfreich waren mir, zu Beginn meiner Arbeit mit Kindern, die Aussagen von Kinderärzten, dass Kinder in der Regel nicht verhungern, wenn insgesamt genug zubereitetes Essen angeboten wird.  Dazu gehört zum Beispiel auch, dass da geschnittenes Obst und Rohkost greifbar sind.

Übertriebene Thematisierung des Essens und Verbote und der ganze Firlefanz von "Nein, du bekommst nur ein Stück davon!"  und "Jetzt iss doch bitte das Müsli, das ist doch so gesund!" über "Ich habe mir so viel Mühe gemacht mit dem Kochen, jetzt iss es doch!" bis zum schrecklichen "Was du dir auf den Teller gemacht hast, das musst du auch aufessen!" haben nur ein einziges Ergebnis: Nahrung und Nahrungsaufnahme werden zu einem Problem hochstilisiert und der intuitiv gesunde Zugang des Kindes zum Essen wird für immer zerstört.

Und das Ritual des gemeinsamen Essens? Was ist daran das Wesentliche? Man sitzt gemeinsam am Tisch, unterhält sich, fühlt sich wohl. Das können Kinder auch genießen, ohne dass sie sich dabei ernähren müssen. Jedweder Zwang vermiest da nur und legt Muster, die zu einem ungesunden Verhalten führen. Und ja, kleine Kinder dürfen auch aufstehen, wenn es ihnen zu viel wird und ja, man kann für die Familie die Regel einführen, dass niemand alleine am Tisch essen muss. Beides zusammen, vorgelebt, indem man auch das Kind nie alleine lässt am Tisch, führt meistens dazu, dass mit der Zeit Kinder gerne auch sitzen bleiben, wenn noch jemand mit seinem Essen nicht fertig ist.

Woran merke ich persönlich, dass ein Kind anfängt ernährungsgestört zu sein? Wenn es anfängt, ungesunde Dinge, vor allem Süßes, wenn es denn ausnahmsweise (zum Beispiel Kindergeburtstage) freien Zugang dazu hat, ohne Sinn und Verstand in sich rein zu stopfen. Kinder mit einem noch natürlichen Sättigungsgefühl legen sogar die angebissene Schokolade wieder zurück, weil sie einfach satt sind. 

Falsches Essen? Zu viel Süßbatsch, zu viel Fettes, zu viel Ungesundes? Jesses, das kleine Kind geht doch nicht selber einkaufen. Wenn das Zeugs nicht im Haus ist, dann wird auch nicht drum gekämpft.  

Kurzfassung:

Kinder verhungern nicht bei genügend Angeboten, auch wenn sie über Tage nicht zugreifen.

Kinder werden nicht krank und entwicklungsgestört, wenn sie über Wochen nur ihre (gesunden) Lieblingsspeisen zu sich nehmen.

Das Angebot bestimmt hier die Nachfrage und für das Angebot bist du verantwortlich.

Essensaufnahme darf niemals zu einem Machtkampf werden. Niemals und in keiner Weise. Verlierer ist immer das Kind, mit oft lebenslangen Folgen.

Vertrau deinem Kind!

Ertappt

Huch, und jetzt?

Ertappt bei Sexspielchen vom eigenen Kinde: 

„Was macht ihr denn da? Darf ich mitspielen?“
„Es gibt Spiele für Erwachsene, die Erwachsene nur mit Erwachsenen spielen und es gibt Spiele für Kinder, die Kinder nur mit Kindern spielen.“
„Warum?“
„Weil Erwachsene Erwachsene besser verstehen und Kinder eben andere Kinder. Und weil zu einem Spiel auch gehört, dass man in etwa die gleichen Chancen beim Mitspielen hat. Es wäre unfair, wenn ein Erwachsener mit einem Kind ein Erwachsenenspiel spielen würde. Du würdest einfach nur verlieren.“
„Warum?“
„Weil... weil ... Kannst du bitte das nächste Mal anklopfen, bevor du ins Zimmer kommst, kleiner Schatz? Und kannst du bitte das nächste Mal die Tür vorher abschließen, großer Schatz!“

Ansonsten wäre ein offen, unbedarftes Lachen, ein beiläufiges Ablegen der eventuell seltsamen Accessoires und ein gemeinsames Rumtollen Richtung anderes Zimmer wohl meine spontane Reaktion. Später dann, wenn es passt und Bedarf besteht, ein paar klärende Worte, altersentsprechend und ohne dem zu viel Gewichtung zu geben. Und für sich selbst vielleicht ein ausgefeilteres Zeitmanagement und wirklich abgeschlossene Türen.

Wie geht ihr damit um? 

Blickwinkel

„Liebe geht durch den Magen!“ und frisst die verhungernde Seele auf.

Anna ist acht Jahre alt.
Sie lebt mit ihrer Mutter in einer kleinen Zwei-Zimmerwohnung.
Ihre Mutter arbeitet in Call Center.
Von morgens um sechs bis abends um fünf.
Anna geht in die Schule.
Anna ist dick.
Sagen die anderen Kinder.
Anna ist wohlgenährt.
Sagt die Mutter.
Sie ist stolz, dass sie dem Kind nichts abschlagen muss.
Dick Madame, Dampfwalze, Fettkloß!
Rufen die Kinder.
Mein Pummelchen, mein Sahnetörtchen, mein Zuckerstückchen!
Schmeichelt die Mutter.
Anna fühlt sich manchmal sehr alleine.

Dicke Kinder

Viele Kinder sind übergewichtig und haben zu wenig Bewegung. Sie essen das falsche Essen und trinken die falschen Getränke. Sie gucken zu viel TV und sitzen zu lange am Handy und vor dem  Pc. Ach?!

Dazu gehen mir folgende Gedanken, aus der Sicht von Kindern, durch den Kopf:

- Liebe Erwachsene, wenn ihr nicht wollt, dass eure Kinder fett werden, warum produziert ihr dann den Scheiß, der dick macht?  Warum macht ihr Werbung für ihn, warum verkauft und kauft ihr ihn?

- Liebe Erwachsene, wenn ihr wollt, dass die Kinder sich mehr bewegen, warum schließt ihr dann Sportstätten, kürzt den Sportunterricht, lasst Spielplätze versiffen und fördert die Bewegungsangebote für Kinder immer weniger?

- Liebe Erwachsene, wenn ihr wollt, dass Kinder nicht so viel vor den neuen Medien sitzen, warum sorgt ihr dann nicht dafür, dass ihre Eltern mehr Zeit und Muse haben, um etwas mit ihnen zu unternehmen und sich nicht in zwei oder mehr Jobs aufreiben müssen, um den Familienunterhalt zu sichern?

- Liebe Erwachsene, warum verdient ihr Geld mit Freizeitangeboten, die sich viele Familien einfach nicht leisten können. Poplige Indoorspielplätze, wo Dreijährige sieben Euro Eintritt bezahlen müssen, überfordern und frustrieren viele Eltern.

- Liebe Erwachsene, wenn ihr wollt, dass die Kinder sich mehr bewegen, warum mauert ihr dann alles ein und umzäunt jeden für Kinder interessanten Raum mit Latten und Regeln? Warum schließt ihr Abenteuerspielplätze und Kinder- und Jugendzentren?

- Liebe Erwachsene, warum sorgt ihr nicht dafür. dass unsere Eltern besser ausgebildet sind? Dass sie zufrieden und glücklicher leben können? Dass sie Hoffnung und Zukunftsperspektiven haben? Dann würde das vielleicht auch etwas werden mit dem bewussteren Konsum und der gemeinsamen Bewegung.

- Liebe Erwachsene, übernehmt doch endlich insgesamt Verantwortung für nachkommende Generation, ändert die Rahmenbedingungen und lasst die Eltern, die dabei Unterstützung und Hilfe brauchen, nicht länger im Stich.

Da fehlt jetzt bestimmt noch dies und das und jenes. Ich bin es leid, diese ständigen Forschungsergebnisse um die Ohren geschlagen zu bekommen, ohne dass dann daraus irgendwas grundsätzlich Sinnvolles in der Gesellschaft folgt.


Keine Windeln mehr?

"Wenn Kindergärten fordern, dass die Kinder keine Windeln mehr brauchen, ist das unanständig, sagen Verhaltensbiologen."

Ja, das sehe ich auch so.

Noch unanständiger wird es, wenn es Einrichtungen sind, die dann im Konzept drin stehen haben, dass sie nach Emmi Pikler arbeiten *andenkoppklatsch

Unsere KleinMadame, die ja eben drei geworden ist, kann seit dem Sommer ansagen, ob sie Pippi machen muss, oder nicht. War ein feiner Spaß draußen, so ohne Windeln. Gab es viel für sie zu fühlen, zu gucken, auszuprobieren. Wir glauben ja, sie hat es sich von Pauli, unserem Hund, abgeguckt. Es gab so eine Markierungsphase bei ihr. Im Haus geht sie aufs Töpfchen (stehen mehrere rum) und manchmal auch auf die Toilette. Sie kann es also. Tagsüber. In der Nacht geht noch gar nichts. Und ob sie es tagsüber will, das entscheidet sie auch selbst. So verlangt sie manchmal immer noch Windeln. Anscheinend geben die ihr auch ab und an ein Gefühl von Sicherheit oder befürsorgt zu werden. Und manchmal will sie halt keine. Erziehung? Kam in dem ganzen Prozess bisher nicht vor. Sie schaut uns zu, schaut anderen Kindern zu. Wir haben uns bisher darüber noch gar keinen Kopf gemacht. Erledigt sich von selbst, wenn man das Kind einfach sein eigenes Tempo lässt.  

Sichere Bindung und Loslassen

Gestern hat KleinMadame (3J) zum ersten Mal ihre Mutter einfach weggeschickt. Sie waren bei ihrem kleinen Freund zu Besuch und Mutter wollte noch einkaufen gehen. KleinMadame ließ sie einfach gehen und antwortete auf die Frage, ob sie nicht mitgehen wolle, nur mit einem "Geh. Ich spiel hier noch!" Für die Mutter eine ganz neue Erfahrung :-)

Für mich ein Zeichen dafür, dass die Bindung zwischen den beiden stimmt. Da ist so viel Vertrauen, so dass man als kleines Kind immer weitere, unabhängige Kreise ziehen kann.

Bindung und Loslassen gehören untrennbar zusammen. Wenn die Bindung stimmt, dann wird selbstbestimmtes Loslassen für das Kind ein selbstverständlicher Teil seiner eigenständigen Entwicklung. Das wichtige Wort hier ist: Selbstbestimmt.

Für die Bezugspersonen bleibt Loslassen ein eigenes Thema und benötigt einen anderen  Beitrag. Stichwörter wären: Schützen und ermutigen, eigene Verlassensängste, das eigene Leben nicht aus den Augen verlieren, und einige mehr. 

Kind und Hund

KleinMadame und Pauli (nichthaarende Pudelmischung aus Spanien) kennen sich seit ihrer Geburt. Eigentlich sogar schon davor, denn Pauli kuschelte schon, wenn möglich, wärmend und schützend auf der Mutter Bauch.

Am Anfang lag Pauli meistens wachsam vor sich hindämmernd neben dem schlafenden Säugling. Im Krabbelalter hatten wir eine Hundezone und eine Babyzone eingerichtet, damit der kleine Hund auch ab und an zur Ruhe kam. Sobald sie mit Laufen anfing, rannte sie hinter ihm her und das Gerangel um die jeweilige Dominanz nahm manchmal von Seiten von KleinMadame doch sehr herrische Züge an. Wenn es ihm zu viel wurde, zwickte Pauli zurück und sie lernte sein vorab Knurren richtig zu deuten.

Hunde müssen spazieren gehen und so kam und kommt die Kleine täglich bei Wind und Wetter an die frische Luft. Leinenführung will geübt sein und es brauchte eine Weile bis Pauli auch bei ihr nicht mehr wie wild zog.

Mittlerweile ist KleinMadame drei Jahre alt und Pauli ist ein unverzichtbarer Teil ihres Lebens. Muss er zum Scheren, dann wird bitterlich geweint, darf er mal nicht hoch in ihre Wohnung, fließen die Tränen. Pauli selbst hat Phasen, da frisst er nur, wenn sie anwesend ist bzw. wenn sie ihn direkt füttert. Ein feines Spiel für beide. Und gekuschelt wird ganz viel. Manchmal schlafen beide gemeinsam unter meinem Schreibtisch.

Pauli hat immer noch seine Ruhezonen, allerdings nun ohne Absperrung. Dies zu akzeptieren war ein wichtiger Lernprozess für beide.

Nachdem wir nun drei Jahre die Interaktionen zwischen ihnen beobachtet und begleitet haben, dürfen sie auch immer öfters ohne unsere Aufsicht gemeinsam durchs Haus toben und im Kinderzimmer spielen. Beide haben gelernt, die Sprache des anderen angemessen zu deuten und mit den jeweiligen Grenzsetzungen umzugehen.

Ob das für alle Hunde und kleine Kinder gilt, kann ich nicht sagen. Kommt wohl auf die Beteiligten und das Umfeld an.

Mit unserem Kater hat das übrigens nicht geklappt. Denn würden wir mit KleinMadame immer noch nicht alleine lassen. Er akzeptiert niemanden über oder neben sich. Doch auch da kenne ich in meinem Umfeld andere Beispiele aus dem Zusammenleben von Kleinkind und Katzen.

Unterm Strich: KleinMadame und Pauli tun sich gut. Eine eindeutige Win-Win-Situation für beide. 


Gewalt gegen Kinder ist Alltag

"Ist das heute in unserem Land immer noch so? Immerhin heißt es im § 1631, 2 des BGB: Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig. Da dürfte sich doch einiges geändert haben, Frau Müller."

"Körperliche Gewalt in der Erziehung gibt es immer noch und wenn man den Gewaltbegriff, wie im BGB, erweitert auf psychische Gewalt, denke ich, dass sich da grundsätzlich nicht viel geändert hat. Wenn ich mich in meinem dörflichen Umfeld hier umschaue, dann sind solche sogenannten Erziehungsmaßnahmen immer noch nicht ausgerottet. Die seltsame "stille Ecke" zum Beispiel scheint sehr beliebt zu sein. Und der kleine Klaps ist nicht tot zu kriegen. Erniedrigung, Demütigung finde ich zuhauf, wenn ich mit meiner Enkelin in Spielgruppen oder auf Spielplätzen unterwegs bin. Geändert hat sich jedoch, zumindest meinem Eindruck nach, dass man es heute direkter ansprechen kann, ohne gleich von allen Anwesenden in Grund und Boden geschrien zu werden. Es scheint insgesamt ein ausgesprochen langsamer Prozess der Veränderung zu sein, der immer wieder, auch und gerade in diesen Zeiten, heftige Rückschritte enthält."