Wir können!

Können wir Kinder vor Gewalt in jedweder Form und deren Folgen schützen?

Immer? Nein. Immer öfters? Natürlich. Könnten wir. Wir könnten eine Menge tun:

Wir könnten uns bedingungslos an ihre Seite stellen. Wir könnten jedwede Form von Gewalt sofort laut und deutlich an- und aussprechen.

Wir könnten ein gesellschaftliches Klima schaffen, in dem Gewalt, Erniedrigung, Liebes- und Fürsorgeentzug, Erpressung, Ausbeutung und Einschüchterung keine anerkannten oder stillschweigend hingenommenen Formen des Umganges mit Kindern mehr sind.

Wir könnten das Wohl des Kindes über die elterliche Verfügungsgewalt und den Schutz der Familie stellen.

Wir könnten unsere Gesetzgebung schärfen und Verjährungsfristen in Fällen jeglicher Gewalt gegen Kinder in die Mülltonne kloppen.

Und wir könnten als pädagogischen Grundkonsens vereinbaren und leben: Macht Kinder stark und selbstbewusst, lehrt sie "nein!" zu sagen, selbstständige Entscheidungen treffen zu können, eigene Meinungen zu haben, widerständig zu sein und sich mit Autoritäten kritisch auseinanderzusetzen.

Wir könnten ihnen Raum für die Entwicklung ihrer! Persönlichkeiten geben und sie nicht zu Abziehbildern unserer unterdrückten Erwachsenenträume erziehen.

Wir könnten den Kindern von klein auf ihre Rechte beibringen und diese, für sie und mit ihnen, ohne Wenn und Aber in jeder Situation vehement verteidigen.


Wir könnten aus dem "Könnten" ein Können machen. Können wir!

Wegweiser

Was mir immer ein hilfreicher Wegweiser in all dem Erziehungsgedöns war? Letztendlich war es immer die Frage: "Würde ich jemandem erlauben so mit mir zu reden oder so mit mir umzugehen?" Meistens war der schwankende Boden unter meinen pädagogischen Füssen dann immer wieder glatt und ruhig und ich wußte ganz sicher, was in dieser konkreten Situation von meiner Seite aus angemessen, oder eben nicht, war.

Übrigens: Sich auch bei kleinsten Kindern für ein anmaßendes Verhalten ihnen gegenüber zu entschuldigen und eine kurze verständliche Erklärung dazu abzugeben, ist und kommt ausgesprochen gut und untergräbt in keinster Weise die Vorbildqualitäten. Ganz im Gegenteil.

Warten

Weil manche ja immer wieder davon berichten, dass kleine Kinder so ungeduldig seien: KleinMadame (2J) ist eine Meisterin des geduldigen und quasi meditativen Ausharrens. Sie schlägt uns alle darin in Längen: "Komm wir gehen jetzt mal einkaufen." ... "Nein, ich will nicht." Und dann steht sie. Ganz ruhig, ganz in sich gekehrt ... und steht, und steht, und steht ... Du kannst machen, was du willst, argumentieren, im Kreis tanzen, rum hüpfen ... sie steht. Dann, irgendwann, wenn du schon deine Tagesplanung im Geiste neu organisiert hast, kommt ein Strahlen: "Einkaufen gehen, ja, ja, ja."

Manche sage jetzt, das würde dem Kinde nicht gut tun. Dieses Warten, bis es endlich soweit ist. Nun, in diesem Fall tut es allen gut. Denn sich durchzusetzen würde viel mehr Energie auf allen Seiten kosten. Und dann gibt es oft im Laufe eines Tages genug andere Dinge, die nicht diskutierbar sind. Meistens kommt da auch kein Widerstand von Kleinmadame. Warum wohl? Nun, sie bemerkt es wohl am Ton, den Vorbereitungsgesprächen und am Drumherum, dass es jetzt um Terminiertes geht und - aufgepasst! - sie weiß einfach, dass es dafür Situationen gibt, in denen auf sie Rücksicht, siehe oben, genommen wird. Irgendwie ist so immer alles in Balance und ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder für diese Ausgeglichenheit ein sehr feines intuitives Gespür haben.